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17. Oktober 2024

Mit den Wirtschafts­nobel­preis­trägern von 2024 im Sonderzug nach Pankow

Der Ost-Berliner Bezirk Pankow, einst Wohn- und Regierungssitz der DDR-Führung in den 1950er Jahren, symbolisiert den Ausgangspunkt der unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklung zwischen Ost- und West­deutschland. Diese wirtschaftliche Trennung spiegelt sich auch in den Werken der diesjährigen Wirtschafts­nobel­preis­träger wider.

Am Montag, den 14. Oktober 2024, wurden Daron Acemoglu, James Robinson und Simon Johnson für ihre Arbeiten, wie Institutionen den Wohlstand von Nationen formen, mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet. Acemoglu und Robinson, Autoren des Buches „Warum Nationen scheitern“, sowie Simon Johnson, ehemaliger Chefökonom des IWF, zeigten, dass der wirtschaftliche Erfolg von Ländern maßgeblich durch ihre Institutionen bestimmt wird, und nicht durch Geografie oder Kultur, wie einstens angenommen.

Die zentrale Frage ihrer Arbeit lautet: Warum gedeihen manche Länder, während andere in Armut verharren? Ihre Antwort: Es sind demokratische Institutionen, die wirtschaftliche Gleichheit fördern und das Wachstum unterstützen. Diese These widerlegt die alte „Geographie-Hypothese“, nach der klimatische und geografische Faktoren die entscheidende Rolle für arm und reich spielten.

Ich erhielt das Buch während der Eurokrise als Geschenk, als ich nach Erklärungen für die wirtschaftlichen Herausforderungen in Ländern wie Italien oder Griechenland suchte. Obwohl das Buch nicht auf die Finanzkrise einging, ist es ein Muss für jeden Volkswirt. Die Arbeit der Nobelpreisträger analysiert tiefgehend den Kolonialismus und dessen Einfluss auf nationale Institutionen – etwa den Schutz von Eigentumsrechten und politische Entscheidungsprozesse. Sie dokumentieren, warum ehemaligen Kolonien wie Australien und die USA florieren, während ehemalige afrikanische Kolonien wie Sierra Leone, Kongo, Somalia oder auch Nordkorea stagnieren. Die Nobelpreisträger betrachten die institutionellen Entwicklungen EU-Institutionen, als ein Erfolgsmodell. Sie sind auf kurzfristige Krisen, wie den Börsencrash am Black Friday in den 1930er Jahren oder die europäischen Herausforderungen während der Finanzkrise, nicht näher eingegangen. Stattdessen liegt ihr Fokus auf den langfristigen institutionellen Strukturen, die den Wohlstand fördern.

Ihr wichtigster Schluss: Demokratien mit ihren Institutionen sind langfristig erfolgreicher in der Schaffung von Wohlstand, auch wenn autoritäre Regime kurzfristig mit effektiveren Methoden Ressourcen ausbeuten können. Doch Autoritarismen scheitern oft an mangelnder Innovation, was eine Stärke der Demokratie ist. Die Nobelpreisträger widerlegen die weit verbreitete Annahme, dass der Breitengrad – also geografische Lage und klimatische Bedingungen – entscheidend dafür sei, ob ein Land reich oder arm ist.

Acemoglu und Robinson illustrieren ihre These im Buch ausführlich am Beispiel der Stadt Nogales, die auf beiden Seiten der Grenze zwischen den USA und Mexiko liegt. Die Bewohner auf beiden Seiten haben die gleichen Vorfahren, Kultur und Umweltbedingungen. Dennoch sind die Menschen auf der US-Seite wirtschaftlich weit bessergestellt. Der Unterschied liegt in den Institutionen: In den USA sind Eigentumsrechte sicherer, und die Bürger haben mehr Einfluss auf die Gesetzgebung.

Beim Lesen dieser Geschichte dachte ich sofort an die Teilung Berlins – an Ost- und Westberlin, das in meiner Jugend in den 1980er Jahren bis zum Mauerfall zwei wirtschaftlich unterschiedliche Welten waren.

Die Forschung der Nobelpreisträger zeigt, dass institutionellen Unterschiede weltweit den Unterschied zwischen Arm und Reich ausmachen. Erfolgreiche Länder verfügen über „inklusive“ wirtschaftliche und politische Institutionen, die die Teilhabe fördern und Wohlstand schaffen. Diese gegenseitige Unterstützung zwischen Politik und Wirtschaft erzeugt einen positiven Kreislauf. „Extraktive“ Institutionen hingegen, die von Politikern und Eliten kontrolliert werden, führen zu einem negativen Kreislauf, da sie Innovationen und Beteiligung verhindern.

Während Adam Smith und seine Nachfolger sich auf Handel und Arbeitsteilung konzentrierten, gewinnt die Institutionenökonomie in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung. Bereits 1993 erhielt der amerikanische Ökonom Douglass North den Nobelpreis für seine historischen Perspektiven zur Rolle von Institutionen in wirtschaftlichen Entwicklungen. Die Erkenntnisse der diesjährigen Nobelpreisträger bieten weitere wertvolle Einsichten, wie nachhaltiger Wohlstand geschaffen werden kann – und wie Institutionen dabei den entscheidenden Unterschied machen.

Joachim Waltl
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