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14. August 2024

Kubas Exodus – eine Insel ohne Perspektive?

Eine gute Freundin, eine echte Kuba-Aficionada, mit mehreren längeren Kuba-Aufenthalten und einem dementsprechenden lokalen Freundeskreis, hat vor kurzem gemeint, sie müsse bald noch einmal nach Kuba reisen, bevor auch die letzten Freunde das Land verlassen hätten. Derzeit sei nur mehr eine befreundete Ärztin mit ihrer Tochter dort, die aber auch demnächst nach Gran Canaria ziehen würde, weil einfach niemand mehr von ihren Verwandten und Freunden vor Ort sei.

Tatsächlich haben in den letzten 3 Jahren rund 5% der kubanischen Bevölkerung die Insel v.a. in Richtung USA verlassen und nach wie vor sehen viele Kubaner, besonders die Jungen, kaum Zukunftsperspektiven in ihrem von Wirtschaftskrisen gebeutelten Land. Und dies, obwohl seit 2021 erstmals kleine Privatunternehmen gegründet werden dürfen, die inzwischen rd. 14% des kubanischen BIPs ausmachen und 15% der Arbeitsplätze stellen. Über 9.000 sogenannte SRLs (Sociedad de Responsabilidad Limitada – ähnlich unserer GmbH) sind in der Baubranche, der Landwirtschaft, der Gastronomie und IT gegründet worden, sowie zahlreiche kleine Supermärkte und Lebensmittelproduzenten. Seit den 1990er Jahren gibt es zwar schon in sehr begrenztem Rahmen Einzelunternehmen, sogenannte Cuentapropistas, aber ausschließlich, um im Tourismus auch Privatküchen und Privatzimmer anbieten zu können.

Nach wie vor nicht zugelassen sind privatwirtschaftliche Aktivitäten in den von der kubanischen Regierung als strategisch angesehenen Bereichen Bergbau, Gesundheitswesen, Medien, Zuckerindustrie, Großhandel sowie Wasser- und Energieversorgung.

Die nach der Revolution von 1959 erfolgte Verstaatlichung aller Wirtschaftssektoren sowie die sozialistische Planwirtschaft werden zwar nach wie vor offiziell nicht in Frage gestellt, doch ist die erlaubte privatwirtschaftliche Aktivität im Rahmen der SRLs ein indirektes Eingeständnis der Regierung, dass die planwirtschaftlich geführten Staatsunternehmen nicht in der Lage sind, das Land mit genügend Lebensmitteln, Medikamenten, Strom und Benzin zu versorgen. Man setzt v.a. darauf, mehr Lebensmittel auf der Insel selbst produzieren zu können, da man hier derzeit zu 70% auf Importe angewiesen ist. Der Tourismus und der Export von Nickel, Rum und Zigarren reichen nicht aus, um genügend Devisen für benötigte Importgüter zu erwirtschaften.

Mit dem damaligen Zerfall der UDSSR sind auch die bis dahin engen wirtschaftlichen Verbindungen zu Kuba abgebrochen, einschließlich der günstigen Importmöglichkeiten und des riesigen Exportmarktes. Schließlich wurde der sozialistische Stachel im Hinterhof der USA lange großzügig von der UDSSR unterstützt. Die dadurch verursachte wirtschaftliche Krise wurde und wird durch die amerikanische Wirtschaftsblockade verstärkt, die von Obama in Aussicht gestellte Lockerung wurde nicht umgesetzt. Im Gegenteil, unter Trump wurden die Beschränkungen verschärft und auch unter Biden kamen nicht die erwarteten Erleichterungen. Kuba wurde 2021 sogar noch auf die US-Liste der terrorunterstützenden Staaten gesetzt, da es, als es 2016 als Verhandlungsort für die Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und den FARC Rebellen gedient hatte, letzteren Aufenthalt auf Kuba gewährt hatte. Diese zusätzliche (und von der EU beanstandete) Sanktionierung Kubas, ist vor allem mit einer Einschränkung des Zugangs zu internationaler Finanzhilfe – auch von Organisationen wie der UNO – verbunden. Kolumbien steht übrigens nicht auf dieser Liste.

Dazu kam noch die Covid Pandemie, die mit ihren Reiseverboten den Devisen bringenden Tourismus zum Erliegen brachte. Der Tourismus erholt sich allmählich, aber die herrschende Mangelwirtschaft hält viele Urlauber fern. Zwar kamen zwischen Januar und September 2023 1,8 Millionen Touristen ins Land (68,8 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum), allerdings war die Besucherzahl 2019 fast doppelt so hoch.

Diesen widrigen äußeren Umständen begegnet die kubanische Einheitsregierung nach wie vor nur sehr zögerlich. Insbesondere die Transformation der staatlich kontrollierten und vielfach ineffizienten und defizitären Bereiche der Wirtschaft wird nicht ausreichend angegangen. Die Wirtschaftskraft liegt mit einem BIP-Wachstum von 1,8% 2022 (2,5% geschätzt für 2024) wieder auf dem Niveau von 2014 und auch die Investitionen kommen nicht vom Fleck. Zwar erfolgt der Großteil der Gesamtinvestitionen im Bausektor, aber gerade die für eine Modernisierung notwendigen Investitionen in Maschinen und Anlagen gehen sogar noch zurück. Somit haben auch die neu gegründeten KMUs große Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Rohstoffen und Investitionsgütern. Wegen der Devisenbeschränkungen und da Kubaner kein Bankkonto im Ausland eröffnen dürfen, werden die Einnahmen von Peso in US-Dollar gewechselt, die dann jemand bar ins Ausland bringt, um die benötigten Importgüter zu finanzieren.

Der Schwarzmarkt floriert und ohne die – lange Zeit von der Regierung nicht gestatteten – Überweisungen der Exilkubaner an ihre Familien, würden viele Kubaner nicht überleben können. Dazu kommt, dass die privatwirtschaftlichen Aktivitäten ein soziales Gefälle verursachen, das Kuba bis dato so nicht kannte. Früher hatten alle Kubaner gleichermaßen wenig, doch jetzt wird im Privatsektor deutlich besser verdient, was sich dann in weiterer Folge auch auf die Preise auswirkt. Die Inflation lag 2022 bei 76,1% und ein Rückgang ist nicht zu erwarten. Staatliche Gehälter von z.B. Lehrern und Ärzten und die Pensionen sind niedrig. Es herrscht vielfach Armut unter den alten Menschen, die es sich nicht mehr leisten können auszuwandern, aber die trotzdem noch die Errungenschaften der Revolution hochhalten.

Dazu gehören nach wie vor das vorbildliche Bildungs- und Gesundheitswesen: Kuba hatte einen eigenen Impfstoff gegen COVID entwickelt, war somit nicht von ausländischen Lieferungen abhängig und konnte somit 90% der Bevölkerung impfen. Doch grundsätzlich hakt es auch hier. Die medizinische Versorgung per se ist gratis, doch die vorher am Schwarzmarkt gekauften Spritzen muss man selbst mitbringen. Was die Bildung angeht, so sind nur 20% der Universitätsabsolventen der letzten fünf Jahre in Kuba geblieben. Ausgerechnet in den USA haben die jungen gut ausgebildeten Kubaner große Chancen auf gut bezahlte Jobs.

Im Vorfeld der US-Wahlen wird eine neuerliche Auswanderungswelle befürchtet. Donald Trump hat im Falle eines Sieges bereits angekündigt, die bestehenden Sanktionen zu verschärfen, falls die sozialistische Einheitsregierung keine politischen Zugeständnisse macht. Das Durchschnittsalter auf der Insel ist inzwischen auf 42,2 Jahre gestiegen, im Vergleich zu 31,6 Jahren in der Karibik insgesamt. Die Ziele der Revolution wurden aus Sicht der Jugend nicht eingelöst.

(Quellen: Ö1/Dimensionen: Quo vadis, Kuba? 3-teilige Dokumentation; www.gtai.de)

Christina Kirisits
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